Der Meister des Nichts

08.04.2016

Der Meister des Nichts

nichts3In dem goldenen Rahmen sind alle Meisterwerke des Löffinger Stadbaumeisters Rosenstiel versammelt. In der oberen Hälfte befinden sich alle gelungenen Bauten und die eingehaltenen Kostenplanungen, in der unteren Hälfte befindet sich seine Zeugenaussage in der Gerichtsverhandlung vom 06.02.2015.

Wie jetzt ?

Natürlich ist dort Nichts zu sehen. Aber das ist ja gerade das Interessante.
Rosenstiel ist einer jener begnadeten Künstler, die erkannt haben, dass wenn man richtig bekannt und berühmt werden will, Nichts mehr ist als Wenig oder Etwas.

Neulich war ich im Kunstmuseum. Leider hatte ich keinen Fotoapparat dabei und muss deshalb auf ein Bild des „Südkurier“ zurückgreifen :

nicht0Quelle :   http://www.suedkurier.de/region/schwarzwald-baar-heuberg/rottweil/Eine-Hommage-an-den-Meister-des-Nichts;art372529,8484142

Da hing es also an der Wand, das gerahmte Nichts. Nebendran das olivgrüne Nichts.

Der Betrachter auf dem Foto macht auch einen etwas ratlosen Eindruck. Er hat wohl nicht begriffen, dass wenn er oder du oder ich irgendwas hingekrickelt hätten, niemand auf die Idee gekommen wäre, damit eine Ausstellung zu machen. Der echte Künstler weiss, dass er sich von der Masse derer, die nur Wenig oder Etwas drauf haben, abheben muss. In welche Richtung spielt keine Rolle.Entweder muss er Sehr Viel drauf haben oder eben Nichts.

Der Löffinger Stadtbaukünstler Rosenstiel ist einer, der dieses Prinzip voll verinnerlicht hat. Deshalb ist hier mal eine kleine Werkschau seines Wirkens ….

Leider existiert Rosenstiel`s frühes Werk „Feldwege“ nicht mehr. Kunstbanausen und der Insolvenzverwalter haben es unwiderbringlich zerstört. Es hat dasselbe Schicksal wie die „Fettecke“ von Josef Beuys erlitten. Von Rosenstiel`s „Feldwegen“ gibt es nur noch Zeitungsartikel.

Zum Frühwerk ist auch die Installation „Der Radweg“  aus dem Jahr 2006 zu rechnen :

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Er befindet sich rechts neben der Fahrbahn und ist aus des Künstlers liebstem Werkstoff gefertigt, den Asphaltbröseln. Weil es in Löffingen viele kunstverständige Bürger gibt, ist das Kunstwerk noch völlig unbenutzt erhalten. Es wurde noch nie auch nur von einem einzigen Fahrradreifen berührt. Vielleicht hatten alle auch nur Angst, wegen Sachbeschädigung angezeigt zu werden. Immerhin hat die Installation 60.000 € gekostet…

Ebenfalls zum Frühwerk ist „Der Zebrastreifen“ zu rechnen :

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Mit dem Kunstgriff, einen Supermarktparkplatz durch eine Durchgangsstrasse zu teilen, erzeugt der Künstler eine ungeheure Dynamik und Spannung, welche durch das Weglassen eines Zebrastreifens noch intensiviert wird. Rosenstiel`s Werke haben immer eine Botschaft zu vermitteln. In diesem Fall möchte er die Bürger zu mehr Achtsamkeit und Rüchsichtnahme erziehen. Deshalb hat er auch auf eine Geschwindigkeitsbegrenzung verzichtet. Während rund um das Rathaus aus Lärmschutzgründen Tempo 30 gilt, um den Beamtenschlaf zu schützen, darf durch den Supermarktparkplatz mit 50 Sachen gebrettert werden …

Rosenstiel`s Werke basieren auf seinem christlichen Weltbild. Als langjähriger Pfarrgemeinderat ist es im ein besonderes Anliegen, dass Menschen das Teilen und Abgeben lernen. Er will sich nicht damit abfinden, dass die, die wenig haben auch noch auf dem Wenigen beharren und denen nix lassen, denen ohnehin schon fast alles gehört.

Dies wird an seiner bekannten Zeichnung „Gewächshauszufahrt“ aus dem Jahr 2013 deutlich :

löffingen 008Wie das gelbe Flammenschwert eines Racheengels schneidet sich die Gewächshauszufahrt in das Fleisch des Egoisten und schickt ihn in die ewige Verdammnis der Hölle …
Mit dem Geniestreich, die Zufahrt dann doch anders zu bauen, signalisiert Rosenstiel dem Betrachter, dass Gottes Pläne unergründlich sind und dass Gott nicht im Himmel sitzt, sondern im Stadtbauamt

Rosenstiel ist der grosse Menschenfreund und Versöhner. Er möchte, dass Menschen ihren Arsch hochkriegen und aufeinander zugehen. Dazu schuf er die grandiose Installation „Wertstoffhofausfahrt“ aus dem Jahr 2013 :

kesselstr 2007 474Ich durfte jedesmal antreten, um mein Auto von meinem Stellplatz wegzufahren, damit das Wertstoffmobil überhaupt aus dem Wertstoffhof raus kam. Dabei lernte ich zwei supernette Typen von Remondis kennen und konnte mit ihnen ein Schwätzchen halten und eine Zigarette rauchen. Ich habe ihre Fahrkünste immer bewundert, denn selbst wenn meine Autos weg waren war es noch Millimeterarbeit. Der Herr im Hintergrund rechts unter dem Aussenspiegel des LKW ist übrigens der städtische Stadtdiener Sulzmann.

Rosenstiel ist ein Künstler, der Gräben aufreisst, aber auch wieder zu schüttet.
So eine Gelegenheit nützt er gerne, um seine Finger in die offenen Wunden der Zeit zu legen und so auf die drängenden Probleme der Gegenwart hinzuweisen. Seine Installation „Der Graben“ von 2013 zeigt dies überdeutlich :

nichts2Rosenstiel ermahnt den Betrachter, dass die Resourcen auf diesem Planet begrenzt sind.
Selbst eine Stadt wie Löffingen mit einem eigenen Kieswerk hat nicht endlos Kies.
Zufälligerweise ging er exakt an der Grundstücksgrenze zu Ende, worauf der rote Pfeil zeigt. So konnte leider nur einer über den zugeschütteten Graben auf sein Grundstück fahren, während der andere wochenlang auf seine Einfahrtstore verzichten musste …

Nicht unumstritten sind Rosenstiel`s Grossplastiken. An erster Stelle wäre in diesem Zusammenhang „Die Wand“ zu nennen, auch bekannt als „Das graue Nichts“ :

IMG_2435Leider ist auch dieses Werk von der Zerstörung bedroht. Rosenstiel musste sich dem Druck von ein paar Öko-Terroristen beugen und hat einer spärlichen Bepflanzung mit Efeu zugestimmt.

Rosenstiel`s monumentalstes Werk ist das 2012 entstandene „PAK-Gebirge“ aus Asphaltbröseln. Am besten konnte man es aus dem Weltraum mit Hilfe eines Satelliten betrachten . Es befindet sich in dem gelben Oval :

satelitenbild-arsenDieses Werk ist mittlerweile der Zerstörung anheim gefallen, da es dem Neubau des städtischen Bauhofs weichen musste. Kritiker hatten damals eine Gefährdung der Umwelt durch Ausdünstung und Auswaschung von Schadstoffen bemängelt. Aber wo soll denn ein Kunstwerk sonst hin wenn nicht mitten unter die Bürger ?  Umwelt hat es doch um Löffingen herum genug und wer die Umwelt bevorzugt soll sich doch bitteschön in die Umwelt begeben. Ist es nicht sinnvoller, sich durch Kunst und Intellekt aus dem Sumpf des Alltäglichen zu erheben ?  Rosenstiel`s „PAK-Gebirge“ errinnerte jeden Besucher des Benz-Geländes an seine Vergänglichkeit und daran, dass sein Wohlergehen nicht in seinen eigenen Händen liegt, sondern in den Händen einer höheren städtischen Wesenheit …

Das berühmteste Werk ist zweifelsohne die 2014 entstandene Installation
„Beton vor Holz“ :

IMG_0980Hier zeigt sich Rosenstiel nicht nur als grossartiger Künstler, sondern auch als grossartiger Pädagoge. Das Leben ist kein Ponyhof, sondern gespickt mit Hindernissen, die es zu überwinden gilt, und wer sich nicht dazu aufraffen kann, sein Brennholz über diese Hindernisse zu tragen, der muss eben im nächsten Winter frieren …

 

Anhand dieser kurzen Retrospektive dürfte klar geworden sein, dass der Zugang zu Rosenstiel`s Werk nicht einfach ist. Seine Kunst ist nix für Neueinsteiger oder Kunststudenten. Man muss sich schon einige Jahre mit moderner Kunst und Psychopathologie beschäftigt haben, um Rosenstiel `s Wirkbreite und Gedankentiefe überhaupt erfassen zu können.

Rosenstiel nimmt den Betrachter seiner Werke bei der Hand und führt ihn zurück zu seiner, des Betrachters  archaischen Emotionalität. Der Betrachter möchte schreien, weinen und kotzen.
Er fühlt sich wie hineingeschissen in eine Kloschüssel mit lauter Idioten und Despoten und ist bisweilen sogar bereit, seinen eigenen Untergang in Kauf zu nehmen, wenn doch nur endlich mal jemand die Spülung drücken würde …

Dem Amtsgericht Neustadt ist es jetzt gelungen, Rosenstiel zusammen mit einer Reihe anderer Löffinger Künstler zu einem Symposium einzuladen. Sie werden sich dort den Fragen eines Richters, eines Staatsanwalts und eines Kunstkritikers stellen.
Dem kunstinteresierten Publikum bietet sich somit die einmalige Gelegenheit, neue Einblicke in Wesen und Wirken der grossen Löffinger Meister zu bekommen.

Der Beginn ist am 02.Mai 2016 um 9:30 Uhr.

Der Eintritt ist frei

 

 

Geschrieben am 8. April 2016, 7:34 von
1 Kommentar Kategorie: Allgemein

Ein Kommentar auf den Beitrag “Der Meister des Nichts

  1. erst jetzt, im September 2017 komme ich zufällig in den Genuß dieser künstlerischen Sichtweise und auch aus dem Staunen über Künstlerische Talente dieser Stadt fast nicht mehr raus.
    Hut ab.

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