Übers Ziel hinaus geschossen II

14.08.2016

Übers Ziel hinaus geschossen II

BILD

Von unserem Gerichtsreporter

„Übers Ziel hinaus geschossen“

NEUSTADT . Gleich in der ersten Verhandlung im neuen Jahr 2020 hatte die Richterin am Amtsgericht eine schwierige Entscheidung zu treffen. Angeklagt waren ein weltbekannter Tiertrainer und sein Mann.
Sie hatten einen Strafbefehl über 100 Tagessätze a 20 € =2000 € wegen leichter Körperverletzung und Sachbeschädigung erhalten, gegen den sie Einspruch einlegten. Dieser Einspruch hatte sich am Ende für die Angeklagten gelohnt. Sie wurden nur zu einer Geldstrafe von 160 € verurteilt.
Der Fall hatte sich über Jahre hochgeschaukelt :

Im Sommer des Jahres 2016 hatte der Betreiber eines weltbekannten Parks aufgrund seltsamer Vorgänge die Freude an seinem Park verloren und konnte davon überzeugt werden, dass er seinen Park an die Stadt verkaufen will, was er zum 01.01.2017 dann auch tat. Die Stadt verpachtete daraufhin umgehend den gesamten Park für 500 € pro Jahr an den Tiertrainer und seine Tiger.

Doch bereits kurze Zeit später war der Tigerpark aufgrund der Planungen zum neuen internationalen Flughafen in den Sichtbereich der Planer geraten. Die Angeklagten wurden aufgefordert, den Park wieder zu räumen. Aber sie beschlossen, aus Protest dagegen vor dem Rathaus eine Sitzblockade zu veranstalten, zu der sie auch einen Tiger mitnahmen. Alle drei setzen sich vor das geöffnete Fenster des Bürgermeisterzimmers. Was dann geschah schilderte der weltbekannte Bürgermeister, der als erster in den Zeugenstand musste, so :

„Ich war gerade mit dem Stadtbaumeister bei der 5. Kaffeepause. Es muss so gegen 11:30 Uhr gewesen sein. Plötzlich hörten wir durch das geöffnete Fenster ein furchtbares und Angst einflössendes Fauchen von einem Tiger. Ich habe mich so sehr erschrocken, dass ich mit dem Knie an den Tisch gestossen bin, wobei ich mich an der Kniescheibe verletzt habe. Ausserdem ist dabei die Kaffeekanne in Richtung des Stadtbaumeisters umgekippt. Durch den auslaufenden heissen Kaffee erlitt er Verbrennungen im Genitalbereich und seine Hose wurde beschädigt“.

Damit war für den Bürgermeister die Grenze überschritten, was man sich bieten lassen müsse und er erstattete Strafanzeige.
Auf Nachfrage der Richterin, ob 500 € jährliche Pacht für einen zig Hektar grossen Park nicht ein wenig wenig wären, sagte der Bürgermeister, dass der Park vorher auch nicht mehr Ertrag abgeworfen hätte.
Er habe damals in der nicht öffentlichen Gemeinderatssitzung angeordnet, dass der Gemeinderat einstimmig für diesen Pachtvertrag stimmt. Schon damals sei das Image der Stadtverwaltung ziemlich ramponiert gewesen, weshalb man der Öffentlichkeit signalisieren wollte, dass die Stadtverwaltung durchaus in der Lage sei, unkonventionellen Leuten mit Schrottfahrzeugen auch mal was gönnen zu können.

Der Bürgermeister stellte während der Sitzung den Antrag, dass die Angeklagten eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 150.000 € bezahlen müssen für sämtliche beim Kauf des Parks in den Gehegen verbliebenen Tiere, die mittlerweile alle von den Tigern aufgefressen worden wären.
Es handle sich dabei um 2,5 Bisons, 32 Stück Rotwild, 40 Stück Damwild, 18 Mufflons, 72 Wildschweine und um insgesamt 18.460 Wühlmäuse.

Dem widersprachen die Angeklagten vehement. Der Bürgermeister habe ihnen damals zugesagt, dass ihre Tiger sämtliche in den Gehegen verbliebenen Tiere auffressen dürfen. Sie verlangten die sofortige Vereidigung des Bürgermeisters. Die Richterin beliess es dabei, den Bürgermeister zu ermahnen, dass man vor Gericht die Wahrheit sagen müsse, woraufhin dieser erklärte : Es kann so gewesen sein, dass ich den Angeklagten gestattet habe, dass ihre Tiger sämtliche in den Gehegen verbliebenen Tiere auffressen dürfen.

Damit konnten die Angeklagten nicht den Nachweis erbringen, der Bürgermeister habe ihnen gestattet, dass ihre Tiger sämtliche in den Gehegen verbliebenen Tiere auffressen dürfen.
Die Angeklagten behaupteten daraufhin, dass mindestens die Hälfte der Wühlmäuse von Greifvögeln oder streunenden Dittishausener Katzen aufgefressen worden wären.
Die Richterin nahm den Antrag nicht zur Entscheidung an. Er sei nicht konkret genug. Zuerst müsse zweifelsfrei ermittelt werden, wieviele Tiere von den Tigern aufgefressen worden sind und wieviele Tiere den Park durch geöffnete Tore oder Löcher im Zaun freiwillig verlassen haben.

Als nächster begab sich der weltbekannte Stadtbaumeister in den Zeugenstand.

Auf die Frage, warum der neue Flughafen ausgerechnet dahin muss wo schon der Tigerpark ist sagte er, dass dieser Standort zur Errichtung des Norbert-Brugger-International Airport alternativlos wäre, was der Plan deutlich zeige :

Norbert-Brugger-International AirportAn dem Platz könne man die Parkplätze des ehemaligen Parks als Parkplätze für die Fluggäste übernehmen. Ausserdem befände sich dort schon eine Bushaltestelle, wodurch eine reibungslose Weiterreise der Fluggäste gewährleistet sei. Vorher könnten sie sich noch im nahegelegenen Waldbad erfrischen.
Die Räumlichkeiten der Flugsicherung würden oben auf die Dachterasse des Dittishausener Hochhauses gebaut was einen gewaltigen Batzen Geld spare.
Im übrigen habe er langsam die Schnauze voll, immer als unfähig dargestellt zu werden. Der Gemeinderat habe in der Geschlossenen (Gemeinderatsitzung  Anmerkung d. Red.) einstimmig beschlossen, zu Ehren des Ehrenbürgers Norbert Brugger einen internationalen Flughafen zu errichten. Es habe also der Gemeinderat den Flughafen über den Park geplant. Er mache nur seine Arbeit bei der er verdammt nochmal nicht dauernd gestört werden wolle. Es sei unter aller Sau, dass Leute einen Tiger einfach so fauchen lassen.

Die Angeklagten entgegneten, der Flughafen sei absichtlich dorthin geplant worden „um sie weg zu kriegen“.
Es sei mehr als fraglich, ob er jemals gebaut werde. Ausserdem habe der Tiger nur von seinem Recht auf freie Meinungsäusserung Gebrauch gemacht. Den Vorwurf der Körperverletzung wiesen sie weit von sich. Beim Stadtbaumeister sei schon vorher tote Hose gewesen. Sie forderten ihren bedingungslosen Freispruch.

Dem kam die Richterin nicht nach. Sie verurteilte die Angeklagten gemäss deren wirtschaftlicher Verhältnisse zu 80 Tagessätzen a 2 €.

Die Angeklagten seien mit ihrer Aktion „übers Ziel hinaus geschossen“. Sie hätten vorher beim Rathaus anrufen können und sagen, dass sie sich mit einem Tiger unter das Bürgermeisterzimmerfenster setzen.
Das Recht von Bürgermeister und Stadtbaumeister in Ruhe Kaffee trinken zu dürfen sei höher zu bewerten.
Zwar gebe es ein Recht auf freie Meinungsäusserung, aber nur für Menschen. Für Personen gelte es nur eingeschränkt und für Tiere gar nicht. Ausserdem hätten die Angeklagten keinerlei Unrechtsbewusstsein. Deshalb komme ein Freispruch nicht in Frage. Er würde nur weitere Kritiker auf den Plan rufen und das sei das letzte, was das System, zu dem sie selber ja auch gehöre, jetzt gebrauchen könne.

Die Angeklagten haben angekündigt, beim Landgericht Freiburg Berufung einzulegen …


Übers Ziel hinaus geschossen Teil 1

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