ANWALT DES VERGEWALTIGERS Bernd Behnke: „Das ist eine Menschenjagd“
Noch immer ist die Aufregung unter den Anwohnern der Anzengruberstraße in Harburg groß. Nachdem sie den Vergewaltiger Hans-Peter W. (53) am Donnerstag vertrieben hatten (MOPO berichtete), kam es am Freitag gestern erneut zu einem Polizeieinsatz. Nachbarn waren aufgebracht, weil sie befürchteten, dass der Täter wieder da sei.
„Ich bin erschüttert darüber, was hier gerade passiert“, sagt Bernd Behnke (65) aus Löffingen im Schwarzwald. Er ist seit drei Jahren der Anwalt von Hans-Peter W. (53) – dem Mann, der knapp 30 Jahre lang wegen Vergewaltigungen im Gefängnis saß und nun nach Hamburg gebracht wurde.
Mopo: Wie gefährlich ist Ihr Mandant Hans Peter W.?
Behnke: Ich bin kein Psychiater, habe aber den Eindruck, dass Herr W. hilfsbedürftig ist und nicht gefährlich. Ich glaube, er würde nicht mal einer Fliege was zuleide tun. Aber wenn man mit einem Menschen so umgeht, ist zu befürchten, dass er um sich schlägt.
Mopo: Ist das Ihr Ernst? Sie halten Ihren Mandanten heute grundsätzlich für ungefährlich? Wieso gibt es dann Gutachten, die besagen, dass eine Gefahr von ihm ausgeht?
Behnke: Über den Inhalt der verschiedenen Gutachten kann ich nicht sprechen.
MOPO: Wie hat Hans-Peter W. darauf reagiert, dass die Anwohner ihn verjagt haben?
Bernd Behnke: Mit Angst. Unfassbar, dass ein Mensch, der nach fast 30 Jahren aus der Haft entlassen wurde, gehetzt wird. Das ist für mich eine Menschenjagd, die für einen Rechtsstaat nicht hinnehmbar ist.
Mopo: Wo ist Ihr Mandant jetzt?
Behnke: Selbst ich als sein Anwalt bekomme die Adresse nicht. Ich weiß nur, dass er erneut in Hamburg untergebracht wurde.
Mopo: Wie verhält sich Ihr Mandant derzeit?
Behnke: Er zeigt sich kooperationsbereit. Ständig hat er Angst davor, etwas falsch zu machen. Mein Mandant hat den Kontakt zur Außenwelt verloren. Es wirkt alles bedrohlich auf ihn. Er war seit 1980 nicht in Freiheit und kennt das alles nicht.
Mopo: Es heißt, Ihr Mandant würde Therapieangebote verweigern.
Behnke: Das stimmt nicht. Im Vollzug gab es kein spezielles Angebot für Sexualstraftäter. Mein Mandant hatte dennoch Kontakt zum Gefängnis-Psychologen. Herr W. hat nun ein Therapieangebot bekommen und eindeutig zugestimmt. Die Therapie kann aber nicht beginnen, weil er ständig vertrieben wird. Zu den Auflagen meines Mandanten gehört unter anderem, dass er ab August ein Mal im Monat in eine psychiatrische Klinik in Hamburg muss.
Mopo: Welche Auflagen gibt es darüber hinaus?
Behnke: Mein Mandant darf seinen Wohnort nur mit Zustimmung seiner Bewährungshelfer verlassen. Er muss sich ein Mal in der Woche bei der Polizei melden. Er darf Hamburg nicht verlassen. Und es ist ihm untersagt, Gegenstände zu besitzen, die Verletzungen hervorrufen könnten. Dazu gehören auch Messer, die eine mehr als fünf Zentimeter lange Klinge haben.
Mopo: W. hat 1980 als 23-Jähriger eine Frau missbraucht und verletzt und eine andere vor den Augen ihres Sohnes vergewaltigt. Was sagt er heute zu seinen grausamen Taten?
Behnke: Ihm ist klar, was er damals Schlimmes getan hat, und es tut ihm sehr leid.
Mopo: Wie stellt sich Ihr Mandant seine Zukunft vor?
Behnke: Er will keine Straftaten mehr begehen. Sein Wunsch wäre es, irgendwann einer Arbeit nachgehen zu können. Herr W. hat Angst davor, alleine zu leben. Er war nie alleine, sein ganzes Leben wurde ihm im Gefängnis vorgegeben. Mein Mandant möchte in einer betreuten Einrichtung wohnen.
Mopo: Welche Maßnahmen halten Sie für die entlassenen Straftäter für geeignet?
Behnke: Diese Menschen müssen am Anfang in eine geschützte, geschlossene Einrichtung mit Therapieangeboten.
Mopo: Die Entlassung Ihres Mandanten hat die Diskussion um den Einsatz von Fußfesseln erneut entfacht. Was halten Sie davon?
Behnke: Das wäre eine geeignete Maßnahme. Aber es gibt dazu kein Gesetz. Seit Jahren wird lediglich diskutiert. Genauso wenig gibt es ein Konzept, das diese Menschen nach der Haft auffängt. Obwohl die Problematik seit Jahren bekannt ist, hat die Politik nichts gemacht, außer diskutiert. Die Justizminister haben versagt.