Brief an den Pöbel

19.07.2016

Brief an den Pöbelwaldfabrik 001

 

Sehr geehrter Herr Zakl,

es wird Zeit, dass ich Ihnen mal schreibe.  Gerne würde ich mich auch persönlich vorstellen, doch glauben Sie mir: mein Name wird Ihnen gar nichts sagen. Wie alle meine Kollegen stehe ich nicht auf der Forbes-Liste, weil sich da sowieso nur billige Möchtegernreiche tummeln: so etwas ist unter unserer Würde.

Ich stehe auch nicht im Telefonbuch oder tummle mich auf Bilderbergtreffen oder Weltwirtschaftsgipfeln – der Konzerneigentümer geht doch auch nicht zum Skatabend des mittleren Managements. Eins möchte ich jedoch sagen: wir stehen für altes Geld. Sehr altes Geld – und mehr davon, als sich Bill Gates je träumen lassen würde, obwohl – so viel Respekt muss sein: der hat schon ganz schön viel angeschafft, dass muss man ihm lassen.

Wieviel das insgesamt ist? Nun – wir haben mehr Geld, als es Waren auf der Welt gibt. Wir könnten den ganzen Planeten kaufen, so groß sind unsere Ansprüche laut Kontostand. Soviel Geld macht eigentlich keinen Sinn mehr, weil es an sich seinen Wert verliert – doch was macht das schon? Wir haben dafür gesorgt, dass ohne Geld auf diesem Planeten nichts mehr läuft – deshalb läßt es sich auch nicht abschaffen. Essen, wohnen, heizen, trinken – alles kostet Geld. Sogar Staatsbürgerschaft an sich kostet ein Vermögen – deshalb haben wir auch keine. Ach – das war neu für Sie? Nein – wir sind keine Staatsbürger mehr, wir stellen das oberste Tausendstel der Vermögenspyramide da, wir sind staatenlos – weil wir dann keine Steuern mehr zahlen brauchen. Super, oder? Wir leben auf großen Yachten, mit Pool, Sauna, Speedbootbuchten und Hubschrauberlandeplätzen, wir leben in eigenen Flugzeugen und hunderttausend Nobelhotels, deren Zimmer am Tag doppelt soviel kosten wie ein Arbeitsloser im Monat von uns bekommt.

Von uns? Ja – sagte ich nicht, dass wir die Herren des Geldes sind? Wir machen die Preise – eine angenehme Art, reich zu werden. So wachsen unsere Vermögen fast dreimal so schnell wie das Bruttosozialprodukt der ganzen Welt – Sie können selbst ausrechnen, wann uns de facto der ganze Planet gehört. Natürlich machen wir nichts selbst. Arbeit macht krank, nicht reich – deshalb mögen wir das Pyramidensymbol so gern, schon seit tausenden von Jahren. Oben an der Spitze sind wir, unter uns eine millionenstarke Millionärskaste, die zweihundert Millionen geistlose „Leistungsträger“ steuern, die wiederum den Rest der Welt auf Kurs halten. Geistlos?

„Der klassische Bildungsbürger wird langsam abgelöst durch ein akademisch zertifiziertes, aber intellektuell desinteressiertes Diplom-Proletariat aus Ärzten, Juristen, Lehrern, Bankern und Ingenieuren.“

„In solchen Runden wird nicht mehr deklamiert, propagiert, agitiert, musiziert, rezitiert und aus zu grossen Flaschen zu schlechter Rotwein getrunken.“

„Stattdessen ergeht man sich in der Kommentierung der unmittelbaren Gegenwart: grosse Pfeffermühlen, der perfekte Garzeitpunkt des Fleisches, Herkunft und ideale Röstung von Kaffee, der Preis der Weinflasche, die neueste Sorte Himalaja Salz.“ (siehe NZZ)

Vorbei die Zeiten, in denen Bildungsbürger Widerstand planten – deshalb haben wir den Yuppie eingeführt, demonstrativ brave, gehorsame, geistlose blutjunge Knechte mit Millionen überschüttet, deshalb haben wir eigene Bands geschaffen, eigene Musikrichtungen entwickelt und eine Armee von Unternehmensberatern finanziert, die unseren Villen in die Chefetagen der Firmen hineintragen, damit die Mitarbeiter die neuen Werte in die Familien bringen – flankiert vom Diplom-Proletariat, das wir nach den Studentenunruhen schnellstens auf Kurs gebracht haben – in dem wir aus jungen Studenten reiche Berater mit Ferrari machten, während der Professor noch einen alten VW-Bus fuhr. Nicht Leistung sondern Gehorsam unserer Kultur gegenüber, der Kultur des Mammonismus sind bis heute ausschlaggebend für führende Posten in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, dafür haben wir gesorgt – durch einen ganz einfachen Trick: wir geben den Spitzen ein paar Millionen, sorgen dafür, dass sie sich für die Größten halten … und wir können in Ruhe unseren Geschäften nachgehen.

Kennen Sie das Pyramidensymbol auf dem alten US-Dollar? Ein Auge an der Spitze der Pyramide: das sind wir. Nur wir und unsere Spitzenkräfte sehen, dass wir das alte Pharaonenreich wieder errichten – mit uns als allsehende Gottkönige an der Spitze, als die einzige, die wissen, wie das Spiel läuft. Die anderen …. dürfen mit ihrer Lebenskraft an der Pyramide bauen und werden von ihrem puren Gewicht zerquetscht: je weiter unten sie sind, umso mehr haben sie zu tragen.

War das alles?

Nein. Wir haben noch viel mehr getan. Anders als Sie sind wir nicht blöd – wir können uns die klügsten Menschen der Welt einfach kaufen, wir brauchen noch nicht mal selber zu denken. So haben wir dafür gesorgt, dass Sie sich hervorragend informiert fühlen, dabei bekommen Sie nur in schneller Reihenfolge Informationshäppchen geliefert, die Sie ohne Hintergrundwissen gar nicht mehr zu einem Gesamtbild zusammenfügen können – und noch bevor Sie auch nur Luft holen können, bekommen sie schon die nächste Informationsdusche. Sie bräuchten schon lange den Beruf des Nachrichtenlotsen, der den ganzen Tag alle Kanäle kontrolliert, um die Puzzleteile zusammen zu fügen – doch den Job gibt es nicht bei Ihnen. Stattdessen haben wir Ihnen acht Millionen Aufseher verpasst, die genau darauf achten, was und wie Sie essen, was und wie Sie trinken, worüber Sie sich amüsieren und das Sie das auch oft genug am Tag tun. Aufseher? Haben Sie noch nie gehört, oder? Was meinen Sie, warum wir aus ungebildeten Schnöseln mit viel Geld beliebte Moderatoren machen – oder beliebte Fußballstars, die wir nach dem gezielten Aufbau mit Geld zu Führerpersönlichkeiten für den kleinen Mann machen und sie regelmäßig auch zu politischen Themen befragen um so IHRE Meinung zu bilden?

So kommt es, dass sechzig Prozent der Deutschen – immerhin 48 Millionen Menschen – nicht mehr an die Demokratie im Lande glauben, keinen Krieg mit Russland oder für unseren Reichtum vorteilhafte Handelsabkommen wollen, keine Bombardierungen im Ausland oder die Vernichtung des Sozialstaates begrüßen … aber völlig hilflos sind. Hunderttausend meinen: einer alleine kann nichts ändern? Richtig, selbst 48 Millionen alleine können nichts ändern. Deshalb fürchte ich auch keine Mistgabeln – gezielt geschulte Kampfkommandos mit Maschinenpistolen, die unsere Yachten, Villen und Hotels stürmen wären da eher zu fürchten als solche archaischen Bilder – sondern kann ganz offen mit Ihnen reden, denn SIE sind ALLEIN. Dafür haben wir gesorgt – und dafür sorgen wir immer weiter, dass ist sogar eins unserer Hauptanliegen, wir verhüllen das gerne mit Begriffen wie FREIHEIT, SELBSTÄNDIGKEIT und UNABHÄNGIGKEIT, Begriffe die – ohne soziale Verantwortung gelebt – in die soziale Vereinsamung führen, wo man sein Leben mit dem Lebensabschnittspartner vor dem Fernseher verbringt aus Furcht vor dem ANDEREN, der draußen haust.

Deshalb haben wir die Familien getrennt – und das sogar öffentlich ins Gesetz gegossen. Ja – trennen sich Arbeitslose von der Familie, bekommen die, die die Kinder betreuen, 120 Euro zusätzlich vom Staat – ohne dass das jemandem groß auffällt. Es ist unsere Trennungsprämie.

Doch damit nicht genug: entgegen den Predigten der großen Weltreligionen, entgegen den Anschauungen der letzten zehntausend Jahre haben wir eine neue Religion ins Bewusstsein der Menschen gesetzt, dass sie – zusätzlich zur sozialen Vereinzelung – noch hilfloser macht: mit großem Aufwand und viel Geld (was – genau genommen – alles IHR Geld war, weshalb wir es gerne ausgaben) haben wir den Menschen klar gemacht, dass die Welt ein Paradies ist … und sie nur richtig denken brauchen, um erfolgreich zu sein und Geld zu bekommen. Diesen Kult gibt es in vielen Formen, vielen Facetten und Abarten und er wird von allen Unternehmensberatern, Coachs und Lebensberatern gepredigt – irre, oder? Viele unserer Funktionäre in der Millionärskaste befeuern diesen Kult öffentlich in den Medien – manche rein aus Eitelkeit, denn immerhin denken sie gut, weil sie reich sind … so wird der reichste Mensch der Welt automatisch zum größten Denker der Menschheit ohne dass das jemandem blöd vorkommt. So fühlen sich jetzt Milliarden von Menschen schuldig, weil sie aufgrund ihres mangelhaften Denkens so arm sind, sitzen in ihren Kämmerchen und feilen an ihrem Denken herum, immer in der Hoffnung, dass der Gott Mammon irgendwann auf ihre Denkarbeit aufmerksam wird und sie durch eine Million würdigt. Erbärmlich, oder? Gleichzeitig genial. Wir erhöhen lieber die Preise, bilden Monopole um das noch besser machen zu können, bestechen Politiker und Entscheidungsträger – so macht man richtig Kohle.

Das Sezierende in der Gesellschaft, das Trennende zu fördern: das ist uns wichtig. Wir wollen ein Volk von achtzig Millionen Egomanen, von denen sich jeder selbst für den König der Welt hält: vor denen braucht sich niemand mehr zu fürchten, vor allem nicht wir, die Gottkönige, denen alle huldigen und deren Gunst (bzw. deren Geldhaufen) alle herbeisehnen, es als Krönung ihres jämmerlichen Pöbellebens ansehen: vorbei die Zeit, wo man entweder Gott oder Mammon dienen sollte, wo eher Kamele durch ein Nadelöhr gingen als das ein Reicher ins Himmelreich kommt: Himmelreich, dass sind wir selber – weshalb wir durch den WWF auch alle ansehnlichen Naturreservate der Welt aufkaufen und für den Pöbel sperren lassen … aus Gründen des Naturschutzes. Jeder, der noch nicht vollständig durch Schule und Medien indoktriniert worden ist und sich dem allgemeinen Anpassungsdruck entziehen konnte, wird von uns offen ausgestoßen: „Verschwörungstheoretiker“ lassen wir ihn nennen – in Deutschland inzwischen gleichbedeutend mit „Nazi“, in den USA mit „Kommunist“. Das jeder, der selber denkt, jeder, der vorauseilenden Gehorsam verweigert, so zum geisteskranken Staatsfeind wird, fällt dem „diplomierten Proletariat“ gar nicht mehr auf. Das wir so das Denken selbst verboten haben und weiter verbieten werden, dass wir so massiv in die freie Meinungsbildung eingreifen – wen interessiert das schon.

Wir sind natürlich auch weltweit an Trennungen interessiert – weshalb unsere Leute eng mit den Geheimdiensten zusammenarbeiten. Wer nimmt schon noch wahr, dass in Kiew die gleichen Flugblätter wie in Ägypten auftauchten – in anderer Sprache natürlich. Wer will das überhaupt wahrnehmen? Wir haben die Bildfrequenz in den Medien inzwischen so hochgeschaltet, dass der Zuschauer in einen halb gelähmten Wachschlaf versinkt, überfordert durch die schnellen Bilderwechsel … und sich trotzdem super gut informiert fühlt. Selbst 2014 – als wir aus einer Laune heraus den guten alten kalten Krieg mit Hilfe unserer Kollegen im Osten wieder anfeuerten und ein neuer Krieg drohte – rührte sich nichts in Deutschland oder der Welt, selbst dann nicht, als das atomare Schreckgespenst wieder zurückkehrte. Ich werde Ihnen jetzt nicht verraten, ob wir den Krieg wirklich noch weiter entfachen oder das nur als Testlauf für die Messung des Grades der Zombiefizierung der Gesellschaft inszeniert haben – ich möchte ja nicht alles verraten, nur so viel: für unsere erfolgreichsten Agenten in Ihrem Land bauen wir gerade Superbunker, in denen man alles überstehen kann.

Obwohl … es überhaupt nichts ausmachen würde, Ihnen die Wahrheit zu erzählen. SIE sind viele, wir sind ganz ganz wenige. Aber SIE sind ALLEINE – wir nicht. Wir haben uns hundert Millionen Freunde weltweit gekauft, die uns anbeten, unseren Kult mitmachen und eifrig dabei sind, ihn in die letzten Winkel der Erde zu tragen: den Kult der Pyramide, wo einer oben sitzt und hunderttausend ihm huldigen, bis zum Hungertod hin. Das heißt: wenn Sie wirklich Ärger machen wollen … stehen sie strategisch gesehen ganz schlecht da, deshalb lieber: Schnauze halten und zurück ins Glied, zurück in die Ihnen zugewiesene Etage der Pyramide, wo die Last immer geringer wird, je höher man aufsteigt.

Und wenn Sie mal nicht alleine sind, wenn Sie mal glauben, Sie könnten jemanden wählen, der Ihnen uns vom Hals schafft … dann schließen wir einfach wie jetzt in Griechenland alle Banken – ohne dass sich auch nur einer darüber wundert, wie wir das eigentlich machen. Sie können wählen wen Sie wollen – Schützenkönige, Karnevalsprinzen, Bundeskanzlerinnen – das ist uns egal, doch regieren, die Musik bestimmen, nach der Sie zu tanzen haben: das machen wir. Schon immer.

Sie sind nur Pöbel, nur Dreck, nur Aussatz,  nur mit Mühe und Ekel als Organspender zu ertragen, Ihre Dummheit und Ignoranz schreit zum Himmel – und das begrüßen wir sehr, denn nur so können wir auf diesem Planeten ganz große Dinger drehen. Ach – wissen Sie was: ich erzähle Ihnen einfach mal was darüber. Macht doch sowieso nichts – außer dass ich mich ein wenig an Ihrer Ohnmacht ergötzen kann.

Wissen Sie, was unser größtes Problem ist? Unsere große Nemesis, unsere größte Qual? Nein – das können Sie sich gar nicht vorstellen, weil Sie ja geradezu in Not in jeder Form baden – auf der Arbeit, in der Familie, im Verein, beim Einkauf, im Straßenverkehr – überall lauert größte Not und schlägt immer wieder zu: das kennen wir gar nicht. Gäbe es noch gebildete Menschen unter ihnen, so könnten sie von Arthur Schopenhauer erzählen, jenem Philosophen, der als erster das – später von der Naturwissenschaft ausgearbeitete – Reiz-Reaktions-Schema von Pflanzen beschrieben hatte. Er könnte Ihnen schildern, was Schopenhauer über das Leben heraus fand: es ist ein ständiges Pendeln zwischen Not – das ist Ihr kleines, erbärmliches, stinkendes Leben – und der Langeweile … einem Ausmaß von Langeweile, das Sie sich gar nicht vorstellen können noch ertragen könnten.

Wir haben alles, wir können alles. Mit privaten U-Booten in die Tiefen der Meere tauchen, mit privaten Kreuzfahrtschiffen die schönsten Strände der Welt belagern (die für Sie selbstverständlich aus Gründen des Naturschutzes verboten sind), mit privaten Raumschiffen den Blick auf die Erde von oben genießen, mit privaten Großflugzeugen in allen Nobeldiscos der Welt gleichzeitig zu Hause zu sein Sie glauben nicht, dass wir dazu fähig sind? Da kann ich nur mal laut lachen: wir lassen bewusst und gezielt 18 Millionen Menschen im Jahr verhungern – es würde uns nur einen Bruchteil unsere Vermögens kosten, diese Menschen zu retten – doch das wollen wir nicht. Jedes Jahr ein dreifacher Holocaust … und Sie dürfen das Wort noch nicht mal in den Mund nehmen, weil SIE dann der Nazi sind. Köstlich. Sie merken: wir sind boshaft und raffiniert – und Sie … ach, lassen wir das. Von Ihrer Art können gar nicht genug verrecken, damit wir die Schönheit der Welt für uns allein in Besitz nehmen können. Im Übrigen … konnte man das schon im alten Rom studieren: am Ende hilft gegen Langeweile nur, ein paar Christen als lebendige Fackeln zu benutzen und ihre Kinder von Löwen im Circus zerfetzen zu lassen – oder von Krokodilen im Nil wie im alten Ägypten, deren Pyramiden uns deutlich zeigen, wie man erfolgreich eine Gesellschaft organisieren sollte: pyramidenförmig eben. Wir machen also nur, was unsereins schon immer gemacht hat.

So – nun wissen Sie alles. Jetzt wissen Sie, wie das Auge der Pyramide die Welt sieht – und wie Sie und Ihre Kinder von der Pyramide zerquetscht werden. Und wissen Sie was? Das Wissen nützt Ihnen GAR NICHTS – und darum fürchte ich auch KEINE MISTGABELN. Je tiefer Sie in der Pyramide stecken, umso höher ist der Druck, der Sie in Reih und Glied quetscht … und umso größer die Lust, sich ein Stückchen weiter nach oben zu buckeln.

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Ich werde auf jeden Fall einen haben

Eifel – Samstag 1.8.2015


Gerne komme ich dem Wunsch des Verfassers nach, seinen Text weiter zu verbreiten.
Vielen Dank an A. W. aus L. für den Hinweis auf die Quelle

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